Wird ChatGPT bereits jetzt zum Wort des Jahres 2023 gekürt? Das Sprachmodell revolutioniert die Text-Welt. Der Hype ist gross, die Erwartungen lassen sich kaum aufhalten. Doch was leistet genau ChatGPT und wo liegen seine Grenzen?
Keine Frage ohne Antwort: ChatGPT der Firma OpenAI füllt Wissenslücken rasch und kompakt. Gerade keine Kreativität für die Geburtstagskarte der Nichte übrig? Kein Problem, ChatGPT – mit vollem Namen «Generative Pre-trained Transformer 3.5» – schreibt diese für Sie. Wer ein Abo besitzt, wird vom GPT-4 unterstützt. Die Vorlage für alles, was das Sprachmodell ausspuckt, stammt aus Millionen von Texten aus dem Internet. Das alles geschieht dank der künstlichen Intelligenz (KI), die gesammelte Daten als Basis für die neuen Inhalte – etwa Bachelorarbeiten, Lieder oder Dialoge – nimmt. ChatGPT sagt über sich selbst: «Ich bin ein maschinelles Lernmodell, das auf grossen Mengen an Textdaten trainiert wurde. Ich kann auf Anfragen antworten, indem ich ähnliche Texte aus meiner Trainingsdatenbank finde und die Information daraus zusammenstelle.»
Wird ChatGPT Google ersetzen?
Bevor voreilige Rückschlüsse gezogen werden können: ChatGPT verwendet zwar Daten, die aus dem Internet stammen, er ist allerdings keine Suchmaschine, die in Echtzeit aktualisiert wird. ChatGPT hat keinen automatischen Zugriff auf externe Webseiten – seine Datenbank reicht erst noch bis 2021. Vergleiche mit Google sind aus diesem Grund nur bedingt möglich. Der Suchmaschine-Gigant hat trotzdem den Handlungsbedarf erkannt – ChatGPT hat bereits über 100 Millionen aktive Nutzer – und im März den eigenen KI-Chatbot «Bard» vorgestellt.
Das kann das Sprachmodell – und das nicht
ChatGPT wird von Daten gefüttert, aber von Menschen trainiert, sodass die Schilderungen stets respektvoll bleiben. Muss man also selbst gar nichts mehr selbst schreiben? Benjamin Greve, Professor für Neuroinformatik an der ETH Zürich, sagt im SRF-Interview: «ChatGPT ist gut für Standardtexte, da braucht man auch nicht mehr viel zu ändern». Nachvollziehbar und dennoch interessant ist etwa, dass ChatGPT auf Deutsch meist grammatikalisch korrekt schreibt, aber klar germanische Tendenzen aufweist. Inhalte sind ausserdem vollgespickt mit Klischees und Stereotypen. Hilfreich sei ChatGPT als Assistent im Alltag, der kurze Meldungen oder einfache Berichte schreiben könne, sagt der Literaturwissenschaftler Hannes Bajohr ebenfalls zu SRF. Als Faktencheck-Instrument soll man den Chat nicht einsetzen: «Das Modell denkt sich teilweise Dinge einfach aus, weil es auf Wahrscheinlichkeit basiert.» Das Sprachmodell hat allerdings eine weiterreichende Schwachstelle, die nicht mit verbesserter KI zu beheben ist, schreibt der renommierte amerikanische Linguist Noam Chomsky in «The New York Times»: «Der grösste Makel [von ChatGPT und co.] ist das Fehlen der wichtigsten Fähigkeit jeder Intelligenz: nicht nur zu sagen, was der Fall ist, was der Fall war und was der Fall sein wird – das ist Beschreibung und Vorhersage – , sondern auch, was nicht der Fall ist und was der Fall sein könnte und was nicht. […] Während wir Menschen in den Arten von Erklärungen, die wir rational vermuten können, eingeschränkt sind, können maschinelle Lernsysteme sowohl lernen, dass die Erde flach ist, als auch, dass sie rund ist. Sie handeln lediglich mit Wahrscheinlichkeiten, die sich mit der Zeit ändern. Aus diesem Grund werden die Vorhersagen von maschinellen Lernsystemen immer oberflächlich und zweifelhaft sein.»
Ist ChatGPT die Zukunft?
Die Erwartungen an ChatGPT sind sehr hoch. Gigantisch ist ebenfalls die Summe, die Microsoft in die Firma OpenAi investiert hat, die Rede ist von zehn Milliarden Dollar. ChatGPT wird den Alltag von vielen Menschen in diversen Branchen wie Kommunikation und IT erleichtern, da das Modell problemlos Routinearbeit übernehmen kann. Es wird sich zeigen, ob ganze Stellen dank (oder wegen) ChatGPT gestrichen werden. Bereits jetzt zeigt sich allerdings: Das Sprachmodell ist ein Tool, das den ersten Inspirationsschub definitiv liefern kann.